Exkurs Industriegeschichte:

Wenn Qualität, dann Swing-Gummiwaren

Arthur Schmidt gründete am 01. Oktober 1911 am Fischmarkt 8, in seinem Elternhaus, die Firma „Schmidts Gleitschutzfabrik und Dampfvulkanisieranstalt“. Von seinem Vater hatte er das Schlosserhandwerk erlernt. Dieser betrieb bereits eine Fahrradreparaturwerkstatt und hatte in den Räumen einen Gasmotor für den Antrieb der benötigten Maschinen. Mit seinem Bruder stellte er zunächst vier weitere Personen an. Innerhalb eines Jahres hatte sich diese Zahl verdreifacht.
Schmidt übernahm zu dieser Zeit mit einem Auslieferungslager die Generalvertretung für russische Autoreifen der Marke „Provodnic“. Mit Beginn des ersten Weltkrieges wurden die Lagerbestände der Firma beschlagnahmt und die Firma erhielt Heeresaufträge für Autoreifenreparaturen. Aufgrund der beengten Situation in der Innenstadt wurde die Fabrik an den damaligen Stadtrand verlegt. Am 07.04.1916 kaufte Arthur Schmidt das Grundstück Freiburger Straße 19-21. In einem ehemaligen Pferdestall wurden zwei neue Walzwerke aufgestellt, es folgte eine lange Umbauzeit. Eine eigene Dampfmaschine mit Dampfkesselanlage und Generator erzeugte den notwendigen Strom. Mit Ende des ersten Weltkriegs expandierte die Firma und neben der Reifenreparatur wurden in „Schmidts Pneumatik“ nun auch Fahrradreifen, – Schläuche und Automobil – sowie Motorradbereifungen in den Handel gebracht. Die „Schwinge“ Gummiabsätze und -sohlen waren sowohl im Inland als auch im Ausland sehr nachgefragt. 1918 erhielt die Firma den Namen „Schmidts Gummiwarenfabrik Arthur Schmidt“. Der Verkauf der hergestellten Artikel übernahm der Bruder des Inhabers (Robert Schmidt), der aus dem Krieg zurückgekehrt war. Aufgrund der sehr raschen Entwicklung wurde zur Stromversorgung ein Dieselmotor angeschafft, welcher auch nach kürzester Zeit den steigenden Verbrauch der florierenden Firma nicht mehr decken konnte. Die ersten eigenen Transformatoren wurden im Jahr 1921 aufgestellt. Die beiden Brüder wurden 1922 zu Vorstandsmitgliedern der Familien-Aktiengesellschaft (Schmidts Gummiwarenfabrik, Arthur Schmidt Akt.-Ges.). Das Gründungskapital belief sich auf 7 Millionen Papiermark. Ein Jahr später wurde das Kapital auf 100 Millionen Papiermark erhöht. Bald folgte der Zusammenschluss mit der Herold AG (New York Hamburger Gummiwaren Comp.) zu einer Interessensgemeinschaft. Die Herold AG erwarb 49 % des Aktienkapitals. Fabrikationen von Edelkunstharzen (Marke „Herolith“) nach patentiertem Verfahren wurden mit in das Portfolio aufgenommen. Das Verfahren wurde 1926 nach Amerika verkauft und Arthur Schmidt beaufsichtigte die Aufnahme der Produktion vor Ort. Als die Fabrikation in Stade eingestellt wurde, wurde 1934 die Aktiengesellschaft in Einvernehmen mit der Herold AG aufgelöst. Von da an war Kautschuk wieder der Hauptrohstoff in Stade. Robert Schmidt übernahm 1942 nach dem Tod seines Bruders die Firma als alleiniger persönlich haftender Gesellschafter und wandelte diese in eine Kommanditgesellschaft um (Gebr. Schmidt, Stade/ Elbe, vorm. Schmidt).
GUMMISCHMIDT AREAL
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Neue Gerätschaften wurden angeschafft und ein modernes Laboratorium für eigene Forschungen eingerichtet.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde aus der Fabrikmarke „Schwinge“ das englische „Swing“, um der britischen Besatzungsmacht entgegenzukommen. Die Firma stellte sich mit Herstellung von Spezialdruck- und Stempelgummimischungen, Matrizen und Zubehör für Druckereien sowie Stempelfabriken im gesamten westeuropäischen Raum auf. Täglich wurden mehrere Tausend Gummikappen, Penizillinstopfen und technische Dichtungen durch die Nacharbeitungsabteilung für Pressartikel produziert. Automatische Pressen stellten diese Artikel aus eigenen Gummi- und Kunststoffmischungen her. Die dazugehörigen Formen wurden in der eigenen Werkstatt konstruiert und angefertigt. 1946 kam in den oberen Räumen eine Tauchabteilung für hygienische Gummiwaren hinzu. In den 50er Jahren wurden bis zu 5.000 Fahrradschläuche täglich produziert. Ein Jahrzehnt später wurde vor allem die Autoindustrie mit einem neu entwickelten Werkstoff versorgt. Dafür wurden neue Fabrik und Lagerhallen geschaffen und der Betrieb von Kohlenbeschickung auf Ölheizungen umgestellt. Werner Müller, Schwiegersohn des Seniors, und die Prokuristen Walter Bock und Günther Ahrens übernahmen das Unternehmen. Zu dieser Zeit waren dort 220 Personen tätig. Ihnen wurden Unterkunftsräume und eine Unterstützungskasse für langjährige Mitarbeiter zur Verfügung gestellt. Robert Schmidt wurde Ehrenvorsitzender im Arbeitgeberverband des Regierungsbezirks Stade. Nach einem Insolvenzantrag beim Amtsgericht Stade 2017 wurde der Geschäftsbetrieb 2018 auf die New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie AG (NYH AG) übertragen und der Betrieb als gesonderter Betriebsteil fortgeführt. Parallel wurde der Grund- und Immobilienbesitz auf eine Tochtergesellschaft der J. Lindemann Gruppe übertragen. Die Gebr. Schmidt Gummiwarenfabrik GmbH & Co. KG fertigte bis 2022 Gummi und Kunststoffmischungen für den Fahrzeugbau, die Luft- und Raumfahrt, Haushaltsgeräte und Pharmaindustrie an. Im Sommer 2022 wurde der Betrieb eingestellt.

J. Lindemann GmbH & Co. KG

Klarenstrecker Damm 23
21684 Stade

Gummischmidt Areal

Freiburger Straße
21682 Stade

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